Ernst Vogt – Berggeist des Jahres 2021  |  Laudatio von Bernd Kullmann

Wenn man heute ein Gespräch mit Bergsport-Journalisten hat, sind die meistens in edlen Zwirn gekleidet. Da ist’s dann schon mal die Jacke von Arcteryx und die Hose von Mammut und auch das Schuhwerk taugt problemlos für eine längere Wanderung – man will zeigen, dass man dazugehört, selbst begeisterter Bergsteiger ist. Kommt dann allerdings das Gespräch auf geschichtliche oder geografische Themen, erlebt man nicht selten Ratlosigkeit. Mit Namen wie Helmut Kiene oder Martin Schliessler  können sie wenig anfangen, und wo die Pumprisse oder die Dom-Nordwand liegen, bringen sie auch rasch ins Schwitzen.

Unser heutiger Berggeist des Jahres hebt sich von all dem wohltuend ab. Seine Arcteryx-Jacke ist ein graues Sakko und die Mammut Hose eine dunkle Jeans und auch die Schuhe taugen eher nicht zu ausgedehnten Wanderungen. Dafür meistert er aber Fragen zu Pumprissen und Kiene souverän.

Der erste Blick täuscht ja manchmal: ein netter Herr der eigentlich ganz gut zum seriösen BR passt. Aber je länger ich Ernst Vogt kannte, desto mehr hatte Ich Eindruck, es mit einem bergjournalistischen Wolf im Schafspelz zu tun zu haben. Er kannte und kennt jeden und alles was mit Bergsteigen zu tun hat. Egal ob Persönlichkeiten und Ereignisse aus dem 19. Jahrhundert oder die heutigen Protagonisten und ihre Leistungen. Und er bekommt alle vors Mikro. Wer es schafft, einen Hans Engl – nicht eben bekannt als Plaudertasche – zum Gespräch zu bitten, der muss ein besonderer Mensch sein. Ohne  Vertrauen wäre das nicht möglich. Und Vertrauen muss man sich verdienen.

34 Jahre hat Ernst die Bergsteigerredaktion im BR Hörfunk geleitet – im schnelllebigen Journalismus eine Ewigkeit. Einst vom legendären Bruno Erath gegründet, übernahm Ernst die Leitung bereits in jungen Jahren. Er hat dann dem Format ein jüngeres Image gegeben, hat ein Team aus festen Mitarbeitern und aus Freien aufgebaut.

Wenn Fernsehmoderatorinnen wie Susanne Franke sich das Aufstehen zur Sendungsmoderation um 4 Uhr früh antun, und das über Jahre, sagt das einiges über das Betriebsklima und den Teamgeist aus. Gemeinsam mit kongenialen Partnern, genannt seien hier stellvertretend nur Stefan Frühbeis und Andrea Zinnecker, hat er, haben sie, den Hörern unzählige Geschichten über Berge und Bergmenschen präsentiert. Und uns, seine Zuhörer, immer wieder Samstagfrüh auf der Fahrt ins Gebirge unterhalten und mit Infos versorgt. Um 7 gab‘s direkt vom Charly Gabl den Wetterbericht und im Winter den aktuellsten Lawinenlagebericht.

Mit seiner ruhigen, freundlichen Art hat Ernst unzählige Bergmenschen interviewt, und überall offene Türen gefunden. Auch bei den Stars der Szene . Und häufig wurden aus ersten Gesprächen Freundschaften auf Basis gegenseitigen Vertrauens. Messner, Glowacz, die Hubers, aber auch Hillary, Cassin und Bonatti, die Liste ist endlos. Das gelingt nur durch Kompetenz, Fairness und gegenseitigen Respekt. Ernst als journalistischen Gentleman zu bezeichnen, ist deshalb sicher nicht übertrieben.

Dass ein Moderator auch rasch einmal bei heißblütigen Teilnehmern zu Mediator werden kann und muss, habe ich selbst in Brixen erlebt. Reinhold ist als lebendiger Diskutant bekannt und hatte sich mit David Lama über dessen Cerro-Torre-Filmbesteigung in die Wolle bekommen. Ernsts diplomatischem Geschick war es dann zu verdanken, dass man sich am Ende wieder vertrug. Gerade Messner hat Ernst immer wieder zu Veranstaltungen als Moderator eingeladen, auch das ein Zeichen großer Wertschätzung.

Ernst selbst steigt natürlich auch auf Berge, Wanderungen, Klettersteige, Skitouren. Mit seinen Gesprächspartnern aber auch privat mit Frau und Kindern. Als gebürtiger Allgäuer häufig im deutschen Alpenraum, den er wie seine Westentasche kennt.

Besonders angetan haben‘s dem Ernst aber die sonnigen Regionen der Südalpen, dort wo der Herbst lang ist und gefühlt immer die Sonne scheint. Lieblingsgebiete sind dabei Südtirol und das Trentino. Man sagt ja, „Menschen, die nicht genießen können, sind oft selbst ungenießbar“ – und Ernst versteht es zu genießen. Die italienische Küche und guter Rotwein haben es ihm angetan. Egal ob beim Törggelen oder einem Klettersteig am Gardasee, eine gute Einkehr muss dabei sein – und ein guter Roter.

 

Lieber Ernst, herzlichen Glückwunsch, bleib gesund und genieße weiterhin die Berge und die Kulinarik.

Bernd Kullmann  (Berggeist des Jahres 2006)