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Pressebericht

Ein Mann, der Taten sprechen lässt – Hans Engl ist Berggeist des Jahres 2011

Hans Engl aus Waakirchen wurde am vergangenen Samstag (19.11.) in Siegertsbrunn bei München als „Berggeist des Jahres 2011“ ausgezeichnet. Die kleine Münchner DAV-Sektion Berggeist ehrt mit diesem seit 2004 verliehenen Preis Persönlichkeiten „für besondere künstlerische, sportliche oder sonstige Leistungen, die sich mit dem Schutz und der Nutzung der Natur und besonders der Bergwelt befassen“. Der erste Träger des Preises, der langjährige Fernsehmoderator Hermann Magerer, hielt die Laudatio auf den in der Bergsteigerszene hoch angesehenen, aber der allgemeinen Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Bergsteiger aus dem oberbayerischen Waakirchen. Er würdigte dabei neben den außergewöhnlichen bergsteigerischen Leistungen vor allem Engls bescheidenes Auftreten sowie seine aufrichtige und unverbogene Art. Der Berggeist-Vorsitzende Michael Pause überreichte Engl einen Scheck über 500 Euro, den der Geehrte einem guten Zweck zukommen lassen wird; außerdem erhielt er ein vom bekannten Bergfotografen und Klub-Mitglied Jürgen Winkler aufgenommenes Bild des Nanga Parbat.
„Engl Hans, Waakirchen, Zimmerer.“ Nein, ein Mann der großen Worte war Hans Engl (67) noch nie. Mit den vier Worten antwortete der stille Oberbayer 1978 auf die Bitte des Moderators Hermann Magerer, sich in dessen Bergsteigersendung Bergauf-Bergab (Bayerisches Fernsehen) dem Publikum vorzustellen. Ein paar Wochen davor hatte Engl nämlich, nur ein halbes Jahr nach der Aufsehen erregenden Everestbesteigung ohne Flaschensauerstoff durch Reinhold Messner und Peter Habeler, ebenfalls den höchsten Punkt der Erde betreten. Auch ohne Sauerstoffmaske. Einfach so. Ohne Medienwirbel. Hans Engl war und ist einer, der lieber Taten sprechen lässt.
Seine Leistung am Mount Everest hinterließ damals in Bergsteigerkreisen großen Eindruck und verhalf ihm vier Jahre später zu einer Einladung des berühmten französischen Alpinisten (und Politikers) Pierre Mazeaud, der 1978 als erster Franzose auf dem Mount Everest gestanden und damals den leistungsstarken Bergführer kennengelernt hatte. Mit seinem deutschen Everest-Gipfelpartner Sepp Mack nahm Hans Engl also an der französischen Expedition zum Nanga Parbat teil, dem „Schicksalsberg der Deutschen“. Am 14. Juli 1982, dem französischen Nationalfeiertag , erreichte er den 8125 Meter hohen Gipfel. Allein. Als einziger Teilnehmer der Expedition.
Weder über seinen Erfolg am Mount Everest noch über die Glanztat am Nanga Parbat schrieb Engl ein Buch, auch nicht über die vielen anderen großen Bergreisen, die er in den Folgejahren unternahm. Ermöglicht hatte sie ihm meist der Ulmer Notar und leidenschaftliche Bergsteiger Gerhard Schmatz: 1984 bestiegen sie den abgelegenen Siebentausender Minya Konka in China, 1988 den Achttausender Cho Oyu in Tibet. Gemeinsam fuhren sie zweimal mit einer Segelyacht von Feuerland nach Südgeorgien – durch haushohe Wellen, die Hans zwar beeindruckten, ihm aber nicht den Schneid abkauften. 1999 segelten sie von Ushuaia wieder über die brodelnde See und kletterten auf den Mount Scott in der Antarktis. Die Carstensz-Pyramide auf Neuguinea, einer der „Seven Summits“, bestieg er während einer Reise mit unterschiedlichen Seilpartnern gleich zweimal hintereinander.
Dann tauchte er aber doch noch regelmäßig im Fernsehen auf: aber eben nicht als Star- oder Promibergsteiger, sondern als ziemlich schweigsamer Begleiter von Hermann Magerer in der Fernsehsendung Bergauf-Bergab. Hans beeindruckte den erfahrenen Fernsehmann, dessen Kamerateam und die Zuschauer durch seine absolute Zuverlässigkeit und seine souveräne alpine Kompetenz – und wenn er hin und wieder doch einmal etwas sagte, dann brachte er seine Aussage immer auf den Punkt. Diese Sparsamkeit im Umgang mit Worten unterstützte den Eindruck, hier einem authentischen Bergsteiger zu begegnen.
Hermann Magerer, 2004 selbst als erster Berggeist des Jahres ausgezeichnet, hielt bei der Versammlung in Siegertsbrunn bei München die Laudatio auf den mit ihm längst befreundeten Hans Engl. Selbstverständlich würdigte er dabei auch die bergsteigerischen Glanzleistungen, hob in besonderer Weise aber Engls Persönlichkeit, seine enorme Leistungsfähigkeit und seine bewundernswerte Bescheidenheit hervor. Am Ende von mehreren Episoden, mit denen er Engl charakterisierte, berichtete er von dessen Reise mit Freunden zum Aconcagua, an dem er vor etlichen Jahren einmal gescheitert war. Hans war mit Mitte 60 still und leise in die Anden gereist, ohne Vorankündigung im Freundeskreis. Auch diesmal kehrte er von dem technisch völlig unschwierigen Fast-Siebentausender in den Anden ohne Gipfel heim. „Die anderen sind hinaufgekommen, ich nicht!“ berichtete er hinterher lapidar. „Hinaufgekommen wär‘ ich vielleicht schon, aber nicht mehr herunter. Ich hab‘ nicht mehr genug Kraft gehabt!“ Dieser Bemerkung haftete, so meinte Hermann Magerer bewundernd, keine Enttäuschung an, sondern sie brachte lediglich Engls realistisches Zugeständnis ans Älterwerden zum Ausdruck.
Die Bergsteigerei betreibt Hans Engl heute ohne große Ambitionen. Man trifft ihn in Kletterrouten oder in den Voralpen über dem Tegernsee mit seinen Enkelkindern, denen er das Klettern beibringt. Gelegentlich ist er auf Führungstouren unterwegs. Und „wenn’s passt“, probiert er auch noch den einen oder anderen höheren Gipfel, wenn auch nicht mehr die ganz hohen.
An der Verleihung nahmen als weitere ehemalige Berggeister des Jahres auch die Münchner Bergsteigerlegende Hermann Huber (ausgezeichnet im Jahr 2005), der Innsbrucker Meteorologe Dr. Karl Gabl (2009) und der badische Kletterer Bernd Kullmann (2006) teil, der 1978 drei Tage nach Engl selbst auf dem Mount Everest stand. Weitere Preisträger waren der 2010 verunglückte Kletterer Kurt Albert (2008), die Hüttenwirtin Silvia Huber (2007) sowie das „Achttausender-Ehepaar“ Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits (2010).